… sind selber gross: 

Noch nie waren die Kommunikationstechniken so umfangreich – gleichzeitig aber die Meinungsäusserungsfreiheit so eingeschränkt. Ein Plädoyer zur freien Meinungsäusserung im Zeitalter des Expertentum.

Von Lukas Rüefli

 

Das Expertentum wird gesellschaftspolitisch zum Problem. Experten sind ausschliesslich auf ihr Wissenschaftsgebiet, auf ihren Zirkel, den sogenannten Expertenzirkel fokussiert und angewiesen. Verbindungen zur  Alltagswelt, Bezüge zur Lebenswelt der Menschen werden vernachlässigt weil sie das Behaften am Expertenzirkel verunmöglichen. Momentan erleben wir die politischen Folgen davon.

Wohl noch nie waren die Kommunikationstechniken so umfangreich und gleichzeitig die Meinungsäusserungsfreiheit so eingeschränkt. Das Problem besteht in der Bevormundung und Einschüchterung  durch Experten und Behörden. Viele Themen, Probleme und Handlungsfelder werden an Institutionen weitergegeben und von  Experten beziehungsweise Behörden aufgenommen. Oft wird die Expertenmeinung als diejenige der richtigen Ansicht kommuniziert. Dies mit dem Ziel, Experten- und Behördenmeinungen von der veröffentlichten zur öffentlichen Meinung zu machen. (Das fängt mittlerweilen bei den Kinderkrippen an und hört bei der Altenbetreuung auf). Die Weitsicht und Distanz der Laien wird vernachlässigt. Für Menschen, die weiterhin in einer funktionierenden und direkten Demokratie zusammenleben möchten, hat dies ungute  Auswirkungen: Zusammenhänge, die ersichtlich werden, wenn man Themen und Aufgaben mit der Distanz des Laien, dem sogenannt gesunden Menschenverstand angeht, werden nicht erkannt, nicht in den Diskurs einbezogen und bei Entscheidungen nicht beachtet. Das ist schade, denn mittlerweilen fehlts Klimaexperten an Horizont, Bildungsexperten am Bezug zum Kind, Kriegsstrategen an Realitätsbezug. Allein im Expertenzirkel wird die Sinnfrage nicht nur nicht beantwortet, sondern gar nicht gestellt, zielgerichtetes Handeln weicht orientierungslosem Hantieren. Ich behaupte: Währenddem die Fachperson bestrebt ist,  durch ihre Fachkompetenz ihre Umgebung, ihre Umwelt zu bereichern, ist die Expertin ausschliesslich auf ihr Expertengebiet fokussiert und bewegt sich systematisch in ihrem Zirkel, im Expertenzirkel. Das heisst, die Umgebung, die Umwelt hat sich dem Expertentum anzupassen. (Beispielsweise hat die Gesellschaft, die Allgemeinheit Kinderkrippen zu bezahlen, weil dies – entsprechend der Expertenmeinung – die richtige Lösung ist). –  Selbstredend lassen sich Systeme ebenso wenig vermenschlichen, wie sich Menschen versystematisieren, verdinglichen lassen – und jeder Versuch, dies zu tun, endet in der Unmenschlichkeit. Oder anders beschrieben. Kein System, kein (dafür zuständiger) Expertenzirkel kann so umfangreich, so allumfassend ausgestaltet werden, dass er der unermesslichen Vielfältigkeit der Menschen, des Lebens gerecht werden kann.

 

Deshalb, liebe Leserin, lieber Leser: Lassen sie sich nicht unterkriegen und trauen sie sich das Bilden und das Kundtun ihrer eigenen Meinung zu.

…Denn der Zuständigkeitsanspruch der Behörden und Experten kommt einer Monopolisierung von Lebensbereichen durch Experten gleich und ist in zweierlei Hinsicht äusserst bedenklich:

 

  • Erstens werden Zusammenhänge, die erst ersichtlich sind, wenn man die Themen mit der Distanz des Laien und mit gesundem Menschenverstand angeht, nicht erkannt.

 

  • Zweitens werden in einem grösseren Zusammenhang die direktdemokratischen Grundprinzipien der freien Meinungsäusserung und des politischen Gewichtens der eigenen Auffassung durch das Abstimmen langsam, subtil und oft unbemerkt unterhölt. Die  Stimmbürgerin verliert durch die Überbewertung des Experten- und Behördentums an Bedeutung.

 

Blosses Recht ist statisch, Demokratie hingegen prozesshaft.

Im Leben steht Prozesshaftes vor Statischem: Der demokratische Prozess vor dem statischen Recht, die direkte Demokratie vor dem Rechtsstaat. Gesetzlich verankern lässt sich nämlich jeder Unsinn. Auch die grösste Menschenfeindlichkeit kann per Gesetz beschlossen- und zum Recht werden. Jeder Halunke kann sich auf das Gesetz berufen, solange seine Taten nicht gegen geltendes Recht verstossen.

  • Systeme ersetzen menschliches Handeln nicht

Deshalb braucht es stets die offene Diskussion, die Freiheit für jeden Einzelnen, hinterfragen zu dürfen, die freie Meinungsäusserung und Rede und den Wettbewerb des besten Argumentes wie ihn bereits Sokrates beliebt gemacht hat.  Die richtige Handlung muss stets von Neuem errungen werden. Es ist etwas grundlegend Verschiedenes, ob jemand aus freien Stücken also in Freiheit aus Eigenverantwortung und Verantwortung gegenüber andern auf eine bestimmte Art handelt oder ob jemand etwas tut, da es durch das Gesetz vorgeschrieben ist!

  • Nicht die Existenz von Laien schafft Experten, sondern das Vorhandensein von Experten stempelt alle übrigen Mitglieder eines Sozialverbandes zu Laien.

Dieser Zusammenhang soll Hilfe und Aufmunterung sein, die Herausforderung anzunehmen, als Laie mit der akribischen Art des Sokrates nachzufragen, nachzuempfinden, nachzudenken und schliesslich zu beurteilen, um die eigene Stimme allenfalls auch gegen die gängigen Expertenmeinungen zu erheben und dort aufzubegehren, wo es nach eigenem Dafürhalten als für nötig erachtet wird.

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